Berufsschule? Na klar. Doch der Campus Vest öffnet für mehr als 5.000 junge Menschen noch viel mehr Bildungswege – von der Ausbildungsvorbereitung bis zum Vollabi im beruflichen Umfeld.
Um sein Haus zu beschreiben, hat Dr. Rainer Podleschny eine knackige Formel parat: „Wir sind 35 Schulen unter einem Dach“, sagt der Leiter des Herwig-Blankertz-Berufskollegs. Seit 2008 ist die vom Kreis getragene Schule auf dem Campus Vest angesiedelt, zusammen mit ihrer Nachbarschule, dem technisch ausgerichteten Max-Born-Berufskolleg. Der Campus ist ein mächtiger Komplex für 5.000 Schülerinnen und Schüler, so groß wie eine Hochschule, von Architektur und Ausstattung state of the art, zu Fuß leicht erreichbar vom Recklinghäuser Haupt- und Busbahnhof. Aber wie wird hier Bildung angegangen, was steckt konkret drin für junge Menschen? „Wir sind ein Institut, das Fach- und Führungskräfte ausbildet“, sagt Simone Holl. Deshalb sei das Klischee von der „Warteschleife“, die Jugendliche auf dem Campus drehen, völlig falsch: „Wir bieten hier berufliche Orientierung und Bildung zugleich“ – in einem System, das von der Nähe zu Berufsleben und Wirtschaft geprägt sei. „Es gibt so viele Möglichkeiten. Wer wirklich will, kann hier seinen ganz eigenen Weg finden und gehen“, so die Leiterin des Max-Born-Berufskollegs.
Überschaubares System im Klassenverbund
Denn trotz der Größe der Berufskollegs sind die einzelnen, hochspezialisierten Bildungsgänge meist überschaubare Systeme. Unterricht wird im Klassenverbund erteilt, so dass Lehrkräfte die persönliche Entwicklung gut im Blick behalten. Auch im beruflichen Gymnasium: Oberstufenschüler bleiben drei Jahre in ihrer Lerngruppe, mit gemeinsamen Leistungskursen wie Ingenieurwissenschaften oder Gestaltungstechnik am Max-Born-Berufskolleg bzw. Biologie, Gesundheit oder Erziehungswissenschaften am Herwig-Blankertz-Berufskolleg. Beide beruflichen Gymnasien sind vier- oder fünfzügig. Dazu kommt viele weitere Bildungsangebote in Vollzeit, die aufeinander aufbauen können – vom ersten über den mittleren Schulabschluss bis zur Hochschulreife. Und wer berufsbegleitend die Technikerschule am Max Born besucht, kann hier sogar den Bachelor ablegen. Während die klassische Berufsschule früher fast zwei Drittel der Lernenden ausmachte, sind es am Herwig-Blankertz-Berufskolleg nur noch 45 Prozent. „Manche unserer Berufe sind unter Druck geraten“, verrät Dr. Podleschny. Im Gastgewerbe, auch bei Friseuren oder Fleischern werde weniger ausgebildet als früher. Viel Potenzial sieht der Schulleiter im Vollzeitbereich, der junge Menschen zu Berufen im Sozial- und Gesundheitswesen führe.
Fit machen für die Ausbildung
Immer wichtiger werden Internationale Förderklassen für Geflüchtete sowie die Ausbildungsvorbereitung, für die im Kreis gerade fünf neue Klassen eingerichtet wurden, sagt Simone Holl, die Sprecherin der Berufskollegs im Vest ist. Auch ihr Kollege Dr. Podleschny ist vom Nutzen überzeugt: „Es gelingt uns heute, 50 oder sogar 70 Prozent von denen, die als nicht vermittelbar galten, in Ausbildung zu bringen.“ Eine Quote, die mit Blick auf Integration und Fachkräftebedarf besonders bedeutsam scheint – aber viel Mühe erfordert: „In der Ausbildungsvorbereitung werden unsere Jugendlichen engmaschig, fast 1:1 betreut, von einem Team aus Lehrkräften, Sozialpädagogen und Übergangslotsen, die gemeinsam versuchen, die Jugendlichen bei der Stange zu halten und Schulabbrüche zu vermeiden“, berichtet die stellvertretende Schulleiterin Anne Schneider-Grafe. Ziel ist es, niemanden zu verlieren. Generell ist es beiden Berufskollegs wichtig, junge Menschen in ihrer Bildungslaufbahn zu beraten und eng zu begleiten, damit sie ihr Potenzial voll ausschöpfen können. Dabei geht es nicht darum, die Akademisierung zu befördern, sondern sicher zu werden, was der richtige Weg ist. Dr. Podleschny: „Das heißt oft genug, dass sich Jugendliche auch nach dem Fach- oder Vollabi etwas ganz Bodenständiges vornehmen und sich für einen handwerklichen oder sozialen Beruf entscheiden.“
Campus Vest 3
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