Zum Inhalt springen
Liebe ohne Behinderung

Liebe ohne Behinderung

Lesedauer: ca. 2 Min. | Text: Jakob Surkemper

Beziehung, Partnerschaft, Liebe sind auch für Menschen mit Behinderung wichtige Themen. Die Diakonie im Kirchenkreis Recklinghausen unterstützt u. a. mit Seminaren.

Gabriele Witulski und Bernhard Schürmann kennen sich seit fast 40 Jahren, und trotz ihrer geistigen Behinderung stand ihrer Liebe nie etwas im Wege. Nach ihrem Kennenlernen Anfang der 1980er-Jahre im Wohnheim- und Werkstatt- Kontext der Diakonie hatte es schnell gefunkt. „Ich habe den Anfang gemacht“, erinnert sich Gabriele, die alle nur Gaby nennen. „Ich bin Schritt für Schritt immer näher an ihn rangerückt. Und dann hat er angebissen.“

Bernhard sitzt neben ihr auf der gemeinsamen Couch und lächelt verschmitzt. Vorbehalte oder gar Widerstände gegen ihre Beziehung erlebte das Paar nicht. 2002 können beide sogar erstmals zusammenziehen: in die Wohngruppe in der Reitzensteinstraße in Recklinghausen. „Aber wir wollten gerne unsere eigenen vier Wände“, sagt Gaby. Und als 2012 das Apartment in der Alten Grenzstraße beim Haus Recklinghausen-Süd frei wird, kann dem Paar auch dieser Wunsch erfüllt werden. Beide führen dort ein fast ganz normales „Eheleben“, auch wenn sie nicht verheiratet sind und Kinder nie ein Thema waren.

Die 60-Jährige arbeitet tagsüber in den Recklinghäuser Werkstätten, der 74-Jährige besucht währenddessen die Tagesstruktur nebenan im gleichen Gebäude. Samstags kochen sie gemeinsam. „Dass Menschen mit Behinderungen überhaupt beieinander übernachten können, war vor 20 Jahren längst noch nicht selbstverständlich“, erinnert sich Birgit Klemm, Fachbereichsleiterin bei der Evangelischen Familienbildungsstätte der Diakonie im Kirchenkreis Recklinghausen. Und gerade in stationären Betreuungen scheitere das Zusammenziehen auch heute manchmal noch an unterschiedlichen Assistenzbedarfen. „Jemand mit geringem Bedarf bekommt nicht automatisch einen Wohnheimplatz, weil der Partner darauf angewiesen ist.“


Spezielles Seminarangebot

Bei vielen komme es aber erst gar nicht so weit, weiß Birgit Klemm: „Für Menschen mit Behinderung ist es oft noch schwieriger, einen Partner zu finden, als für Menschen ohne Behinderung.“ Die Familienbildungsstätte bietet daher Seminare wie „Ich wünsche mir einen Partner“ oder „Liebe, Lust und Männersachen“ bzw. „Frauensachen“. „Manche sind zu zurückhaltend, andere zu offensiv bei dem Thema.“ Mitunter gebe es auch unrealistische Vor- stellungen, wie der Wunschpartner sein soll. „In dem Kurs geht es darum, was den Teilnehmern wichtig ist und wo man jemanden kennenlernen und ansprechen kann, auch bei Schüchternheit.“ Neben dem sozialen Nahraum, gewinne auch das Internet beim Kennenlernen an Bedeutung, sei aber u. U. mit etwas Vorsicht zu genießen, so Klemm. Wer Interesse an einem Seminar habe, könne sich melden; sie könnte nach Bedarf auch zusätzliche Termine anbieten. Gaby und Bernhard haben da keinen Bedarf mehr. Sie haben einander gefunden und freuen sich aktuell auf einen gemeinsamen Urlaub an der Ostsee. 

 

Artikel teilen:

Mehr aus Ihrem Vest: